Jahresthema 2018: MUSTERKÜNSTLER – von Menschen-, Rollen- und Künstlerbildern
„Sagen wir mal, das Kunstsystem ist ein kleines Modell, ein Testfeld. Andere Industrien sind natürlich viel wichtiger, aber in diesem kleinen Testfeld sehen Sie, wie das Kunstsystem Räume kolonisiert, besetzt, gentrifiziert; Städte, Köpfe und Ressourcen transformiert, globale Systeme zur Gewinnung von Talenten, neuen Ideen oder exotischen Bildern kreiert. Oder umgekehrt, Kunst wird benutzt, um Diktaturen, Oligarchien usw. zu dekorieren. Dieses System der Kolonisierung ist nicht alltäglich, aber es schafft eine neu integrierte Form des globalen Kapitalismus.” (Hito Steyerl)
Das 2018er Ausstellungsprogramm der GEH8 nimmt Bezug auf die verschiedenen Veränderungsprozesse in und um die GEH8, welche durch städtebauliche Entwicklungen von einem Ort am ‘Rand’ einer Industriebrache zu einem Kunstraum in der Mitte des Stadtteils Pieschen wird. Weiterhin steht die GEH8 vor der Herausforderung einer Umwandlung vom Projektraum zur Institution. Vor diesem Hintergrund soll die Funktion der Kunst als eine Impulsgeberin für urbane Stadtgesellschaften und, in Folge dessen, für Kulturindustrien neu befragt werden.
Künstler/-innen und sogenannte Kreative fungieren nicht selten als willkommene ‘Durchlauferhitzer’ für Stadtmarketingsprozesse, andererseits leben viele von ihnen weiterhin in prekären Verhältnissen. Laut dem österreichischen Ökonom und Sozialphilosophen Friedrich August von Hayek gehören Künstler/-innen zur Gruppe der ‘gewerbsmäßigen Händler von Ideen aus zweiter Hand’. Im Hinblick auf die Verbreitung von Ideen fungieren sie wie Filter, durch welche neue Ideen und Konzepte hindurchgehen, um dann, umgewandelt zu sinnlich rezipierbaren Produkten, wie beispielsweise Kunstwerken, Fotos, Filmen oder Videos, die Massen zu erreichen.
Das Kopieren, das Plagiieren, das Hybridisieren, das Konsumieren, das Konkurrieren, das Präsentieren aber auch das Täuschen, Stehlen, Hacken oder das Ausbeuten gehören heute zu gängigen künstlerischen Praxen. Mit Blick auf die von F. A. von Hayek aufgezeigten gesellschaftlichen Transformationsprozesse von Ideen stellen sich somit Fragen wie: Welcher ethische Impetus soll mit zeitgenössischer Kunst ästhetisiert werden? Welche Ideen oder Konzepte sollen gefiltert und unter die Massen gebracht werden? Wie sind sich Künstler/-innen ihrer Teilhabe an diesen Prozessen bewußt? Wie sind sie an der Produktion neoliberaler Rollenbilder beteiligt? Wie nehmen Rezipent/-innen die damit verknüpften Wirkungen war?
Diesen Fragen möchten wir 2018 in Gesprächen und Ausstellungsprojekten mit Werken der Künstler/-innen Annette Hollywood (DE), Julia Krause(DE), Helen Costa Iglesias (CH), J. Tobias Anderson (SWE), Jonas Lewek (DE), Antje Seeger (DE), Juliane Stiegele (DE), Margit Greinöcker (AT), Philipp Gloger (DE), Judy van Luyk (NL), Joachim Merbitz (DE), der Tänzerin Daniela Lehmann (DE), dem Schriftsteller Thomas Mann (†) und dem Künstler und Musiker James Hoff (US) nachgehen.
Abbildung: Antje Seeger und VG Bildkunst Bonn, 2018